Die formularmäßige Überbürdung des Winterdienstes auf nur drei von 24 Parteien ist überraschend und belastet die Erdgeschossmieter außerdem unzumutbar. Bei der Ausübung seines Ermessens hat der Vermieter – jedenfalls bei Bestimmungen formularvertraglicher Hausordnungen als Annex zu ebenfalls formularvertraglichen Mietverträgen – unangemessene Ungleichbehandlungen zu unterlassen, so die auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwältin Ilona Reichert aus Baden-Baden unter Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.09.2011, Az.: 221 C 170/11.


Die Klägerin ist seit 1964 Mieterin einer von drei im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen eines Hauses mit insgesamt 24 Mieteinheiten auf acht Etagen. Die Beklagte trat nach Erwerb im Jahr 2008 als Vermieterin in das Mietverhältnis ein. Der Mietvertrag von 1964 nimmt Bezug auf die Hausordnung (Stand 1960) und bestimmt unter der Überschrift „Reinigung und Pflege“ und hier unter der Bezeichnung „Schnee und Eis“ den Winterdienst. Danach ist den Mietern der Erdgeschosswohnungen der Winterdienst auferlegt, außerdem die Reinigung des unteren Treppenhauses einschließlich des Hauszuganges und die Haus-, Hof- und Vorkellertüren. Den Mietern der übrigen Etagen ist die Reinigung ihrer Vorflure und der jeweiligen nächsten nach unten führenden Treppen auferlegt. Die Mieter des siebten Obergeschosses sind zudem verpflichtet, zweimal im Jahr den Trockenboden zu reinigen.

Mit Schreiben vom 25.05.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes den Winterdienst nicht mehr durchführen könne und bat unter Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attestes darum, für anderweitige Wahrnehmung des Winterdienstes Sorge zu tragen. Die Beklagte wies dieses Begehren jedoch zurück. Die Klägerin klagte daraufhin auf Feststellung, dass sie als Erdgeschossmieterin des Mietobjektes nicht mehr verpflichtet ist, Bürgersteige und Hauszugänge von Schnee und Eis freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen.

Das Amtsgericht gab der Feststellungsklage statt. Die Klägerin war durch ihre Mitteilung, dass sie die Schneeräumarbeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen könne, von der Durchführung des Winterdienstes freigeworden. Zwar kann ein Vermieter eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht auch auf seine Mieter übertragen, was zur Folge hat, dass die Verkehrssicherungspflicht sich auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verkürzt. Allerdings war die Übertragung hier nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden. Dies ergab sich zwar nicht aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Inhaltskontrolle von Formularverträgen (§§ 305 ff. BGB bzw. zuvor AGB-Gesetz), da diese zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht existierten. Die Unwirksamkeit ergab sich jedoch nach Treu und Glauben. Das Gericht ist der Auffassung, dass sich die Unwirksamkeit der Bestimmung aus den Gesichtspunkten des Überraschungseffekts und der unangemessenen Benachteiligung ergibt (heute: §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die formularmäßige Überbürdung des Winterdienstes auf nur drei von 24 Parteien ist überraschend und belastet die Erdgeschossmieter außerdem unzumutbar dahingehend, dass in unangemessener Weise nur ein kleiner Teil der Mieter mit einer Pflicht erheblicher Art belastet wird. Denn bei der Ausübung seines Ermessens, wie Pflichten, die vom Vermieter abgewälzt werden wollen, tatsächlich übertragen werden, hat der Vermieter – jedenfalls bei Bestimmungen formularvertraglicher Hausordnungen als Annex zu ebenfalls formularvertraglichen Mietverträgen – unangemessene Ungleichbehandlungen zu unterlassen.

Einwenden konnte die Beklagte auch nicht den Vergleich mit den Zusatzpflichten der Mieter des siebten Stocks zur Reinigung der Speicher bzw. Trockenbodenbereiche. Denn diese Pflicht besteht nur zweimal im Jahr, bringt im Regelfall keine Haftungsrisiken mit sich, ist leicht delegierbar und zu beliebiger Zeit im April und Oktober durchführbar. Auch der Umstand, dass die Klägerin hier den Winterdienst in der Vergangenheit ausgeführt hatte, änderte nichts daran, dass die Klausel unwirksam ist und eine zukünftige Verpflichtung für die Klägerin nicht mehr besteht. Hieraus kann die Beklagte keine Rechtsfolgen auch für die Zukunft herleiten.