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Hörfunk- und Fernsehempfang ist ein wesentlicher Bestandteil des häuslichen Lebens und gehört deshalb zur üblichen Nutzung einer Wohnung. Ein Mieter verhält sich nicht vertragswidrig, wenn er Anlagen zum einwandfreien Empfang dieser Medien errichtet. In größeren Haushalten mit mehreren interessierten Fernsehzuschauern kann der Empfang ausländischer Sender über das Internet nicht die gewünschte Bildqualität anbieten, sodass Internetfernsehen keine echte Alternative zur Parabolantenne darstellt. Diese Antenne muss der Vermieter dulden, so die auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwältin Ilona Reichert aus Baden-Baden unter Hinweis auf das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25.10.2011, Az.: 65 S 38/11.

Die klagende Vermieterin verlangt von ihrem Mieter die Entfernung einer an dem Balkon seiner Wohnung angebrachten Parabolantenne. Der Mieter ist ägyptischer Herkunft und nutzt die Parabolantenne gemeinsam mit seiner Familie für den Empfang ägyptischer Fernsehsender. Ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten ergab, dass über den vorhandenen Kabelanschluss arabischsprachige Sender nicht zu empfangen sind. Der Kabelanschluss ließe sich zwar durch eine digitale Kabelbox aufrüsten. Die dann zu empfangenden vier arabischen Sender stammen jedoch nicht aus Ägypten. Über das Internet sind diverse Fernsehsender, einschließlich Staatsfernsehsender aus Ägypten verfügbar. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige bescheinigte den über das Internet anzusehenden ägyptischen Sendern nur eine Qualität, die erheblich schlechter ist als der Fernsehempfang.

Das Landgericht Berlin entschied, dass der Vermieter die Parabolantenne dulden muss. Ohne diese Parabolantenne ist es dem Mieter derzeit nicht möglich, sein Informationsinteresse und sein Recht zur Ausübung seines Glaubens mit Hilfe des Mediums Fernsehen in einwandfreier Qualität zu befriedigen. Der Empfang ägyptischer Fernsehsender über das Internet stellt zurzeit noch keinen adäquaten Ersatz für einen nach heutigen Vorstellungen üblichen und einwandfreien Fernsehempfang dar, wie er über Parabolantennen möglich ist. Auch bei Nutzung des Voll- Bild-Modus eines im Vergleich üblicher Fernsehgeräten kleineren 19 Zoll großen Bildschirms ergibt sich keine befriedigende Qualität der übertragenen Signale und der zu sehenden Bilder. Die relativ kleinen Bilder weisen ganz erhebliche Unschärfen und Verpixelungen aus. Darüber hinaus ist eine gleichmäßige und ausreichend schnelle Datenübertragung derzeit noch nicht ständig gewährleistet, sodass es infolge notwendiger Datenpufferungen auch zu störenden Übertragungsunterbrechungen kommt. Für einen jungen, mit dem Internet vertrauten Menschen, der das klassische Fernsehgerät als Einzelnutzer nicht mehr zur Information, Bildung und Unterhaltung nutzt, mag diese Art der Informationsgewinnung ausreichend sein. Bei den derzeitigen technischen Bedingungen gilt dies nicht für einen Mieter, der mit seiner Familie mit mehreren Personen gemeinsam Fernsehsendungen konsumieren möchte.

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