Wenn der Vermieter eine Wohnung nach dem sog. Berliner Modell zwangsräumen lassen hat, er also unter Ausübung des Vermieterpfandrechts sämtliche Sachen des Mieters in der Wohnung belassen hat, ist er nicht berechtigt, diese durch Vernichtung zu verwerten, so die auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwältin Ilona Reichert aus Baden-Baden unter Hinweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19.03.2012 zum Az.: 8 W 93/12.


Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis. Der Vermieter verlangt die Verwertung von Räumungsgut durch Vernichtung. Aufgrund eines Versäumnisurteils wurden die Mieter zur Räumung der Wohnung verpflichtet. Anschließend wurde die Räumung nach dem Berliner Modell durchgeführt, indem die Mieter aus dem Besitz an den Wohnräumen gesetzt und die Vermieter in den Besitz eingewiesen wurden, wobei die in die Räume eingebrachten und dort hinterlassenen Sachen der Mieter in der Wohnung verblieben. Gewechselt wurde lediglich das Türschloss. Nachdem die Mieter auch nach Fristsetzung ihre Sachen nicht abgeholt hatten, stellte der Vermieter den Antrag, der Verwertung des Räumungsguts durch Vernichtung zuzustimmen. Nachdem das zuständige Amtsgericht den Antrag durch Beschluss abgewiesen und der Beschwerde nicht abgeholfen hat, lag die Sache dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vor. Dieses wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Das Oberlandesgericht Stuttgart führte in seiner Begründung aus, dass es zwar so sei, dass gem. § 1246 Abs. 1 BGB dann, wenn eine von den §§ 1235 bis 1240 BGB abweichende Art des Pfandverkaufs nach billigem Ermessen den Interessen der Beteiligten entspricht, jeder von ihnen verlangen kann, dass der Verkauf nach dieser Art erfolgt und im Zweifel das Gericht entscheide. Hier sei allerdings ausschließlich eine Regelung über die Art und Weise des Pfandverkaufes zu regeln. Die Verwertung durch Vernichtung sei aber eben gerade kein Pfandverkauf. Auch aufgrund anderer Vorschriften sei eine Berechtigung zur Verwertung durch Vernichtung nicht ersichtlich. Schließlich sei auch nicht dargelegt, dass das Räumungsgut offenkundig wertlos sei.

Praxishinweis:
Das Berliner Modell  ist eine Methode zur Kostensenkung bei Zwangsräumungen. Dazu übt der Vermieter das Vermieterpfandrecht an allen in der Wohnung befindlichen Gegenständen aus. Vom Gerichtsvollzieher wird nur die Herausgabe der Wohnung verlangt. Ziel ist, den Kostenvorschuss und die Gerichtsvollziehergebühren zu vermindern. Bei der klassischen Räumung der Wohnung erfolgen Abtransport, Verwahrung und Verwertung bzw. Vernichtung durch den Gerichtsvollzieher. Daher fallen neben den Speditions- und Lagerkosten auch hohe Gerichtsvollziehergebühren an. Der Vermieter hat nach der Übergabe der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher die Gegenstände zu verwahren. Ggf. muss er sie herausgeben (wenn unpfändbar) bzw. der Verwertung zuführen (wenn pfändbar) oder als Müll entsorgen. Dies führt zu einem erheblichen Haftungsrisiko des Vermieters, da er bei Fehleinschätzungen schadenersatzpflichtig werden kann.