Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13.10.2010 (Az.: VIII ZR 78/10) die Pflicht des Vermieters genauer bestimmt, dem Mieter nach einer berechtigten Kündigung wegen Eigenbedarfs eine während der Kündigungsfrist freiwerdende vergleichbare Wohnung im selben Haus anzubieten, so die auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwältin Ilona Reichert aus Baden-Baden.


Die Beklagten sind Mieter eines Ein-Zimmer-Appartements. Mit Schreiben vom 23.04.2008 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31.01.2009. In dem Kündigungsschreiben teilte die Klägerin mit, dass ihre Tochter volljährig werde und einen eigenen Hausstand gründen wolle und die 45 qm große Wohnung dafür ideal sei.

Bevor die Kündigungsfrist abgelaufen war, wurde im 1. Obergeschoss des Hauses, in dem auch die Mietwohnung der Beklagten gelegen ist, eine Wohnung der Klägerin frei. Diese Wohnung wurde von der Klägerin jedoch anderweitig neu vermietet, ohne dass sie die Wohnung zuvor den Beklagten angeboten hatte. Die Beklagten widersprachen der Kündigung mit der Begründung, die Tochter der Klägerin hätte in die frei gewordene Wohnung ziehen können, zumindest hätte die Klägerin ihnen die Wohnung anbieten müssen. Darüber hinaus sein die Kündigung nicht ausreichend begründet, da aus dem Kündigungsschreiben nicht die bisherige Wohnsituation der Tochter hervorgehe.

Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen, während das Landgericht der Klage auf die Berufung der Vermieterin stattgegeben hat.

Die Revision der Mieter hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Mietverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Klägerin beendet worden ist. Die Klägerin hatte zwar ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Ein solches Interesse liegt in der Regel dann vor, wenn der Vermieter die vermieteten Räume als Wohnung für sich selbst oder einen Angehörigen benötigt. Für das Selbstnutzungsinteresse der Klägerin bestehen auch vernünftige und nachvollziehbare Gründe. Den Eltern kann nicht entgegengehalten werden, ihr Kind sei im elterlichen Haus ausreichend untergebracht. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass für die Begründung einer Eigenbedarfskündigung der Wunsch eines Vermieters, einem (demnächst) volljährigen Kind die Gründung eines eigenen Hausstands in einer dafür geeigneten Wohnung zu ermöglichen, regelmäßig ausreicht. Eine darüber hinaus gehende Begründung in Gestalt von Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen bedarf es in diesen Fällen grundsätzlich nicht. Die Berufung der Klägerin auf Eigenbedarf ist jedoch rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin ihrer Pflicht, den Beklagten die innerhalb der Kündigungsfrist frei gewordene Wohnung anzubieten, nicht nach gekommen ist.

Der Bundesgerichtshof hat mit diesem Urteil seine Rechtsprechung bekräftigt, wonach der wegen Eigenbedarfs berechtigterweise kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung während des Laufs der Kündigungsfrist anbieten muss, sofern sich die Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet und er diese Wohnung neu vermieten will. Andernfalls ist die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass der Vermieter den Mieter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Anbietpflicht über die wesentlichen Bedingungen einer Anmietung, d.h. über Größe und Ausstattung der Wohnung sowie über Mietkonditionen, informieren muss. Im vorliegenden Streitfall ist der Vermieter dieser Pflicht nicht nachgekommen. Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der an die Beklagten vermieteten Wohnung scheidet daher aus.