Kündigungen durch Vermieter nach unpünktlichen Mietzahlungen des Jobcenters (Sozialamt) sind unzulässig, so die auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwältin Ilona Reichert aus Baden-Baden unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.10.2009, Az.: XIII ZR 64/09.
Zahlt das Sozialamt im Zuge der Daseinsvorsorge die Miete anstelle des Mieters direkt an den Vermieter, so kann dieser wegen verspäteter Zahlungen des Mietzinses nicht gemäß § 543 Abs. 1 BGB fristlos kündigen. Der Mieter muss sich ein etwaiges Verschulden des Sozialamts nicht zurechnen lassen.


Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger vermietete den Beklagten im Mai 2007 ein Reihenhaus in W. Bei Abschluss des Mietvertrages haben die Beklagten Selbstauskünfte ausgefüllt. Der Ehemann gab sein Nettoeinkommen mit 2.300 € und 350 € Erziehungsgeld sowie 500 € Kindergeld an. Nach § 4 des Mietvertrages ist die Miete jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats im Voraus an den Vermieter zu zahlen.

Die Beklagten trennten sich kurz nach Einzug in die Wohnung. Der Ehemann zog aus dem Reihenhaus aus und kündigte mit einem nur von ihm unterschriebenen Schreiben vom 1. Januar 2008 das Mietverhältnis zum 31. März 2008. Darüber hinaus erklärte er, er werde ab April 2008 keine Miete mehr bezahlen. Der Kläger seinerseits kündigte beiden Mietern außerordentlich, hilfsweise ordentlich mit der Begründung, mit dem Auszug des alleinverdienenden Ehemanns und seiner Erklärung, er werde keine Miete mehr zahlen, sei die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags entfallen.

Das Jobcenter (Sozialamt) leistete die Mietzahlungen für die Ehefrau seit April 2008. Die Mietzahlungen gingen beim Kläger für April 2008 am 11. April, für Mai 2008 am 17. Mai, für Juni 2008 am 6. Juni, und für Juli 2008 am 08. Juli ein. Das Jobcenter war trotz Vorlage der Abmahnungen des Klägers durch die Beklagte zu 1 nicht bereit, die Mietzahlungen früher anzuweisen. Daraufhin kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit Schreiben vom 11.06.2008 unter Berufung auf verspätete Mietzahlungen erneut fristlos und erhob Räumungsklage.

Amtsgericht und Landgericht wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof stellte wie die Vorinstanzen fest, dass die Räumungsklage unbegründet ist, da das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht beendet worden ist.

Die einseitige, ohne die Mitwirkung der Ehefrau erklärte Kündigung des Ehemannes hat das Mietverhältnis nicht beendet. Der Auszug des Ehemannes und dessen Weigerung, ab April 2008 Miete zu zahlen, stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB dar. Für die Beurteilung, ob ein Grund zur fristlosen Kündigung nach dieser Vorschrift gegeben ist, bedarf es der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hat die am Mietvertrag festhaltende Beklagte zu 1 eine derartige Erklärung nicht abgegeben. Auch ist die fristlose Kündigung nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründet, weil der zahlungsfähigere Ehemann ausgezogen ist.

Der Kläger war auch nicht berechtigt war, das Mietverhältnis wegen der unpünktlichen Zahlungen fristlos zu kündigen. Das Berufungsgericht hat zu Recht nicht isoliert auf die unpünktlichen Zahlungen abgestellt, sondern bei der Interessenabwägung berücksichtigt, dass die Beklagte zu 1 seit April 2008 auf staatliche Sozialleistungen angewiesen ist und dass die seither eingetretenen Zahlungsverzögerungen von jeweils einigen Tagen darauf beruhen, dass das Jobcenter nicht zu einer früheren Zahlungsanweisung bereit ist.

Der Mieter muss sich im Rahmen der Abwägung nach § 543 Abs. 1 BGB auch nicht ein etwaiges Verschulden des Jobcenters zurechnen lassen. Die Vorschrift des § 278 BGB ist im Verhältnis zwischen Mieter und Jobcenter nicht anwendbar. Das Jobcenter handelt bei der Übernahme der Mietzahlungen nicht als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) des Mieters, denn es agiert nicht nach den Weisungen des Mieters, sondern wird im Rahmen der Daseinsvorsorge hoheitlich für ihn tätig. Die Behörde wird von dem Anspruchsberechtigten nicht als Hilfsperson zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Vermieter eingeschaltet, vielmehr wendet er sich an die Behörde, um den eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Jobcenter anschließend die Kosten der Unterkunft an den Hilfebedürftigen selbst zahlt oder direkt an den Vermieter überweist. In beiden Fällen nimmt das Jobcenter hoheitliche Aufgaben wahr, um die Grundsicherung des Hilfebedürfigen zu gewährleisten.