Wer nach hinreichenden Anhaltspunkten für einen Notfall in der Nachbarwohnung die Feuerwehr ruft, haftet nicht für Schäden, die beim Aufbrechen der Wohnungstüre durch Feuerwehrleute entsteht. Die Entscheidung, ob tatsächlich ein Eingreifen notwendig ist, obliegt auch im Fall von Alarmen der Feuerwehr selbst, so die auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwältin Ilona Reichert aus Baden-Baden unter Hinweis auf das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26.01.2011, Az.: 49 S 106/10.


Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob ein Nachbar, der nach gewissen Anhaltspunkten für einen Notfall in der Nachbarwohnung die Feuerwehr ruft, dem Vermieter für Schäden haftet, die beim Aufbrechen der Wohnungstüre durch die Feuerwehrleute entsteht.

Die beklagte Mieterin versuchte erfolglos, ihre Nachbarin verabredungsgemäß telefonisch zu erreichen. Bei einem ersten Anruf vernahm sie ein Stöhnen und rief erfolglos den Vornamen der Nachbarin. Bei einem zweiten Anruf nahm niemand den Hörer ab, und es war lediglich ein Freizeichen zu hören. Daraufhin rief die Beklagte die Feuerwehr, die nach vergeblichem Klingeln die Wohnungstüre aufbrach. Ein Notfall konnte allerdings nicht festgestellt werden. Die Wohnung war leer. Die klagende Vermieterin verlangt Schadensersatz in Höhe von 1.000 € für die Erneuerung der Wohnungstür.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage ab.

Das Landgericht entschied, dass der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten für die Erneuerung der Wohnungstür zusteht. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht. Die Beklagte hat die Tür selbst nicht zerstört und die Zerstörung durch die Feuerwehr ist keine ihr zurechenbare Tat, mit der sie eine mittelbare Verletzungshandlung vorgenommen hätte. Das Handeln der Beklagten ist zwar ursächlich für den Schaden, es fehlt aber am Erfordernis der Adäquanz. Das Erfordernis der Adäquanz hat die Funktion eines Filters, der Kausalverläufe ausgrenzt, die dem Verantwortlichen billigerweise rechtlich nicht mehr zugerechnet werden können.

Die Feuerwehr wurde bei dem Aufbrechen der Wohnungstür zur Abwehr einer vermeintlich der Nachbarin drohenden Lebensgefahr gemäß § 3 FwG-Berlin i.V.m. § 3 ASOG Berlin tätig. Die Entscheidung, ob tatsächlich ein Eingreifen notwendig ist, obliegt dabei auch im Fall von Alarmen der Feuerwehr selbst. Sie hat als Ordnungsbehörde gemäß § 11 ASOG zu prüfen, welche Maßnahme, gemessen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sie zu ergreifen hat. Diese eigenständig zu treffende Entscheidung kann nicht mit Hinweis auf einen Willensentschluss der Alarmperson ersetzt werden.

Praxishinweis: Im vorliegenden Fall ist passiert, was typischerweise bei Notrufen geschieht. Die Feuerwehr wird veranlasst, sich ein eigenes Bild zu machen und dann verlässt sich der den Notruf Tätigende darauf, dass diese das in der Situation Richtige unternimmt. Konsequenterweise sehen §§ 14, 15 FwG, § 8 KatSG i.V.m. §§ 59 ff. ASOG für entstandene Schäden Ausgleichs-, Erstattungs- und Ersatzansprüche vor. Auf diese Weise ist die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gesichert, das darauf angewiesen ist, dass Alarmrufe, zu denen der Alarmierende sich aus guten Gründen genötigt sieht, nicht aus Angst vor Schadensersatzforderungen unterbleiben.