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Die Entscheidung des BGH vom 12.10.2011 (Az.: VIII ZR 8/11) befasst sich mit dem Beginn der für Vermieter geltenden kurzen Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche und der Frage, wie die Ablehnung des Vermieters, die Schlüssel zum Mietobjekt vor dem vereinbarten Übergabetermin zurückzunehmen, rechtlich zu werten ist, so die auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwältin Ilona Reichert aus Baden-Baden.

Der Beklagte war langjähriger Mieter in einem von der Klägerin selbst bewohnten Zweifamilienhaus. Nach über 30-jähriger Mietdauer räumte der Beklagte Ende Juni 2007 die Wohnung und ließ das Mietverhältnis erst am 2.07.2007 über seinen Prozessbevollmächtigten wegen Vertrauensverlustes fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.09.2007 kündigen. Bei seinem Auszug hatte der Beklagte der Klägerin die Schlüssel zur Wohnung angeboten und diese, nachdem die Klägerin die Schlüssel abgelehnt hatte, in den Briefkasten zu seiner Mietwohnung neben der Haustür der Klägerin geworfen. Die „offizielle“ Abnahme der Wohnung erfolgte aufgrund einer im Nachgang erfolgten Absprache der Parteien am 1.10.2007. Dem Schadensersatzanspruch in Höhe von 8.695,53 € wegen Beschädigung der Mietsache, den die Klägerin mit Mahnbescheidsantrag vom 19.03.2008 einklagte, hielt der Beklagte die Einrede der Verjährung entgegen. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe sich durch ihre Weigerung, die Schlüssel entgegenzunehmen, in Annahmeverzug befunden, der Zugang zur Mietsache sei ihr bereits mit Einwurf der Schlüssel im Briefkasten, von dem sie positive Kenntnis gehabt habe, möglich gewesen.

Das Amtsgericht hat die Schadensersatzklage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der BGH hob das Berufungsurteil teilweise auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Der BGH ist der Auffassung, dass mögliche Schadensersatzansprüche der Vermieterin im vorliegenden Fall nicht verjährt sind, nachdem der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides ausgehend vom 1.10.2007 als Beginn des Fristlaufes rechtzeitig bei Gericht einging. Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht durch. Die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem er die Sache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB). Rückgabe im Sinne dieser Vorschrift bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters und die dadurch erlangte Sachherrschaft, weil er erst dadurch in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen. Die tatsächliche Beendigung des Mietverhältnisses ist für den Beginn des Fristenlaufes unerheblich. Nach diesen Grundsätzen ist der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn des Fristenlaufes der 1.10.2007, nachdem die Parteien für diesen Tag die offizielle Übergabe der Mietsache vereinbart hatten. Dass die Klägerin die vorzeitige Rücknahme der Schlüssel verweigerte, hält der BGH hingegen für unerheblich. Ein Vermieter ist nicht verpflichtet, so der BGH, die Mietsache jederzeit – sozusagen „auf Zuruf“ – zurückzunehmen. Der Klägerin ist es auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gebotes von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die erfolgte Rückgabe im Oktober 2007 zu berufen. Dieser „offizielle“ Übergabetermin ist von den Parteien einvernehmlich festgelegt und eingehalten worden. Es besteht daher keine Veranlassung, die Klägerin hinsichtlich der Verjährung ihrer Ersatzansprüche so zu behandeln, als habe sie die Sachherrschaft über die Mietwohnung schon drei Monate vorher erhalten.

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